Wenn man vom Betrieb bei Neben-, Klein- und Schmalspurbahnen spricht, dann kommt man irgendwann unvermeidlich auf die Trapeztafel zu sprechen. Wir wissen nicht, wer sie „erfunden“ hat, aber das war auf jeden Fall ein Geniestreich.
Als ich vor Jahrzehnten das erste Mal von einer solchen Trapeztafel las, dass man sie an Stelle eines Hauptsignales aufstellen kann, habe ich das einfach nicht kapiert. Ein Hauptsignal kann man stellen und damit regeln, ob ein Zug einfahren darf oder nicht. Eine Trapeztafel ist unveränderbar, wie soll das gehen?
Die genannten drei Arten von Bahnen minderer Bedeutung sind in der Regel eingleisig, brauchen aber dennoch einen oder mehrere Kreuzungsbahnhöfe, wenn mehr als ein Zug auf der Strecke unterwegs ist. Und meist sind diese kleinen Kreuzungsbahnhöfe irgendwo in der Pampa und nicht besetzt. Und da kommt die Trapeztafel virtuos zur Geltung. Vor dem Krieg bei der alten Reichsbahn hieß sie K 15, bei der DB heißt sie Ne 1.
Wie funktioniert das denn nun mit diesem nicht stellbaren Hauptsignalersatz?
Bei meiner 0m-Anlage, der Braunlage – Andreasberger Eisenbahn, funktioniert das wie beim Vorbild, daher können wir den entsprechenden Passus aus der SbV* der BAE zu Rate ziehen, er ist eh weitestgehend bei den Vorbildbahnen abgeschrieben.
Der Buchfahrplan regelt also, welcher Zug an der Trapeztafel K 15 halten muss und welcher nicht. Das heißt, kein örtlicher Bediensteter stellt da irgendwas, das ist schon bei Drucklegung entschieden.
*SbV: Sammlung betrieblicher Vorschriften, bei allen Bahnen der genannten Art vorhanden, entweder als Ergänzung zu den Vereinfachten Fahrdienstvorschriften (vFv) oder anstatt dieser.
Hauptzubehör zur Trapeztafel: der Buchfahrplan
Ich könnte einen Vorbild-Buchfahrplan nehmen, aber da es hier mehr um Modellbahn geht, nehme ich einen der BAE, wo das alles genauso funzt:
Der Tf des P 46 schaut schon vor der Abfahrt von Sieber mal kurz über die ganze Seite und notiert im Hinterkopf, dass er in Schluft und in Oderteich eine Kreuzung hat und im letzteren Fall vor der Trapeztafel halten muss.
In Schluft soll er also den Zug 137 kreuzen und nicht vor der Trapeztafel halten, also direkt als erster Zug einfahren. Damit ist gleichzeitig festgelegt, dass der Zf von der Ankunft bis zur Abfahrt des P 46 Fahrdienstleiterfunktion in Schluft hat. Ihm obliegt es, den Fahrweg für den Gegenzug herzustellen und dann seinen Tf zu beauftragen, den 137 durch das Pfeifsifnal lang-kurz-lang hereinzupfeifen.
Anders läuft es in Schluft. Da ist dem P 45 Halt vor Trapeztafel vorgeschrieben, und die Fahrdienstleitung obliegt dem Zf des Gegenzuges, also des P 57.
Der Tf des P 46 hält also vor der Trapeztafel des Bahnhofes Oderteich an und harrt dann der Dinge, die da kommen sollen. Und die Dinge, die da kommen sollen, sind natürlich die Pfeiftöne lang-kurz-lang des P 57.
Den Rest kann man sich denken.
Geniestreich Trapeztafel Teil II
Was ist denn, wenn das ersehnte Hereinpfeifen nicht erfolgt? Zum Beispiel, weil der Gegenzug so viel Verspätung hat, dass er noch gar nicht in Königskrug abgefahren ist? Ach, das wisst ihr ja schon, denn das steht in der SbV in dem Auszug, den ich weiter oben abgebildet habe. Nichtsdestotrotz: Wir müssen drüber reden.
Als wir bei der BAE nach langen Jahren reiner Bauzeit endlich mit dem Betrieb anfingen, führten wir von Anfang an die Zugkreuzungen nach dem beschriebenen Muster durch. Und alles lief prima. Wirklich eine geniale Idee, diese Trapeztafel.
Nun liest man ja immer wieder in der Modellbahnpresse und in den Foren, das der reibungslose Modellbahnbetrieb eigentlich ziemlich langweilig ist und daher mit so genannten Ereigniskarten aufgepeppt werden muss. Das lockt mir immer ein verschmitztes wissendes Lächeln auf die Lippen.
Bei der Modellbahn gibt es, genau wie bei der großen Bahn, so genannte „Verzögerungen im Betriebsablauf“. Die muss man nicht herbeibeten oder organisierten, die passieren ganz von allein. Sogar häufiger, denn Entkupplungen oder Entgleisungen sind beim Vorbild gottlob wesentlich seltener als bei der Modellbahn.
Und genau deswegen trat der geschilderte Fall, dass nach Abgabe des Achtungspfiffs und Warten vor der Trapeztafel kein Hereinpfeifen erfolgte, rechtz bald ganz von allein ein. Bei Ausstellung schallt es dann durch die Halle: „Öy, Manni, was is, warum pfeifste nicht?“ Bei der BAE (und im richtigen Leben) geht das anders. Zunächst wird, wie in der SbV beschrieben, der Pfiff wiederholt. Kommt wieder keine Antwort, passiert das, was in Bild 6 zu sehen ist: Der Zf ruft den Zl (Zugleiter) an.
„Zug 46. Wir stehen vor K 15 von Oderteich und erhalten keine Antwort. Wie sieht’s aus?“
Jetzt sind eine Reihe von Antworten des allwissenden Zl möglich:
a) Der 57 hat soeben Ankunft in Oderteich gemeldet, Hr2 müsste also gleich kommen. Weiter warten.
b) Sonnenberg hat die Abfahrt des 57 gemeldet, aber die Ankunftsmeldung Oderteich steht noch aus. Ich melde mich, wenn ich was weiß.
c) Der 57 wartet noch in Sonnenberg auf einen Anschluss. Ich werde ihm Halt vor K15 in Oderteich anordnen, dann melde ich mich wieder.
Alles nicht von mir erfunden, sondern so passiert. In den Fällen b) und c) kündigt der Zugleiter seinen Rückruf an. Damit das funzen kann, hat der F-Kasten an der Trapeztafel (s. Bild 6) einen Außenwecker.
Der interessantere Fall ist c). Da der 57 noch in Sonnenberg ist, könnte der Zl den 46 eigentlich einfahren lassen. Das korrekte Pocedere ist anders. Wie schon angekündigt, ruft der Zl in Sonnenberg an und ordnet dem 57 durch den örtlichen Fahrdienstleiter „Halt vor Trapeztafel in Oderteich“ an. Dann erst, wenn dies erfolgt ist, darf er den 46 anrufen und ihm die Einfahrt erlauben.
Hi, das Ensemble in Abb.4 ist doch die Schau! Ich wollte gerade eine skalierbare Umsetzung als 3-D-Druck anregen, für 0, H0, N, hilfsweise Messingprofile, Ätzplatten…, you get the idea 😉
Und schon kommt das Modellfoto kurz darauf. Na also, geht doch,
ein Kollege
Einfach Klasse und nachahmenswert. Warte schon auf den zweiten Teil.
Grüße Frank